KAMPF UM TALENTE - Bindet bAV Fachkräfte ans Unternehmen?

DAS INVESTMENT Cordula Vis-Paulus (Gastautorin)31.08.2022in News Lesedauer: 6 Minuten

Bindet betriebliche Altersvorsorge (bAV) Mitarbeiter ans Unternehmen? Es kommt ganz darauf an, sagt bAV-Beraterin Cordula Vis-Paulus und erklärt, mit welchen Angeboten Chefs ihre begehrten Fachkräfte tatsächlich im Unternehmen halten können.

bAV-Expertin Cordula Vis-Paulus: "Happy Wife, happy Boss". | Foto: Cordula Vis-Paulus und Fotomontage mit Canva

Auch mir wurde gesagt, bAV würde Mitarbeiter binden. Und wie es so ist, je länger man was sagt, desto mehr glaubt man den Quatsch. In Gesprächen mit Unternehmern wurde mir dieser Slogan manchmal abgenommen, manchmal total zerrissen. Was stimmt? Bindet betriebliche Altersvorsorge Mitarbeiter ans Unternehmen - ja oder nein?

Nach über 20 Jahren kann ich eine ziemlich genaue Aussage dazu treffen und die lautet: Es kommt ganz darauf an. Jetzt sind wir auch nicht viel weiter, aber ich löse gleich auf, denn beides stimmt: Es gibt betriebliche Altersvorsorge, die Mitarbeiter zu einer längeren Verweildauer im Unternehmen motiviert und es gibt betriebliche Altersvorsorge, die niemals dazu das Zeug hätte.

So klappt es nicht mit der Mitarbeiterbindung

Wenn Mitarbeiter ihr Bruttogehalt für den Aufbau von Ruhestandsvermögen einsetzen heißt das zwar betriebliche Altersvorsorge, aber ganz ehrlich - halten Sie diesen Begriff nicht auch für irreführend? Wenn ich als Mitarbeiter meinen Verdienst - egal ob aus dem Netto oder aus dem Brutto - für etwas verwende, ist das ja meine private Entscheidung. Nur weil die Chose über die Gehaltsabrechnung läuft, kommt der Stempel „betriebliche Altersvorsorge“ drauf.

Weshalb sollte ich dafür länger im Unternehmen bleiben? Die Gehaltsumwandlung in Altersvorsorge steht mir laut BetrAVG gesetzlich zu. Selbst der verordnete Pflichtzuschuss in Höhe von 15 Prozent wird mich nicht im Unternehmen halten. Das bekomme ich bei jedem anderen Unternehmen auch.

Auch 20 Prozent Zuschuss binden keine Mitarbeiter

Sie geben sogar 20 Prozent? Wunderbar - aber das pfeifen die Spatzen aus der Google-Dachrinne, dass die Weitergabe der SV-Ersparnis ja wohl das Mindeste sei, was man als Mitarbeiter vom Boss erwarten könne.

Kurz: Ermöglicht ein Betrieb den Mitarbeitenden lediglich die Gehaltsumwandlung und kommt damit dem Rechtsanspruch nach und füttert das Ganze nur mit dem gesetzlich verordneten Zuschuss (oder der erst durch die Gehaltsumwandlung entstandenen SV-Ersparnis) auf - damit zieht der Betrieb keinen neuen Bewerber an und dafür bleibt keiner einen Tag länger.

So kann bAV helfen, ungewollte Fluktuation zu verhindern.

Beispiel A

Finanziert der Betrieb dem Mitarbeiter zusätzlich zum Gehalt eine betriebliche Altersvorsorge, dann kann die gesetzliche Unverfallbarkeit vereinbart werden. Das bedeutet in der Praxis, dass der Mitarbeiter erst drei Jahre nach Erteilung der Zusage, also drei Jahre nach Vertragsbeginn, auch tatsächlich ein Anrecht auf die bAV hat. Verlässt er das Unternehmen vorher, bekommt er nichts davon

Lassen Sie uns einen Blick ins reale Leben werfen, um die Bindungskraft der gesetzlichen Unverfallbarkeit für firmenfinanzierte Altersvorsorge zu verstehen.

Sie haben Ihrem Mitarbeiter Herrn Kümpel eine Direktversicherung spendiert und zahlen seither 250 Euro für ihn ein. Herr Kümpel macht seinen Job wirklich ordentlich, aber nach einem Jahr wird er von einem etwas jüngeren Kollegen „überholt“. Sie erleben den jüngeren Kollegen als zielstrebiger, als erfolgsorientierter, er hat ein Talent, seine Pläne und Leistungen gut zu verkaufen. Der stillere Herr Kümpel ist darüber etwas angesäuert, denn der jüngere Kollege stellt nicht nur seine eigenen Ideen gut vor, sondern klaut sie auch bei Herrn Kümpel.

Sie wissen worauf das hinausläuft: Herr Kümpel wird ausgebootet, fühlt sich zunehmend nicht wahrgenommen und wertgeschätzt und stöbert immer öfter bei Kununu und Stepstone. Ein Jahr lang geht das schon so und Herr Kümpel überlegt immer öfter, wie es wäre, wenn er einmal eine Bewerbung abschickt. Das geht ja alles supereasy heutzutage - nur aufs Knöpfchen drücken, Lebenslauf hochladen und ab geht die digitale Post.

Ein paar Wochen später erzählt Herr Kümpel seiner Lebensgefährtin von seinen Plänen. Und die fragt, wie das denn mit der betrieblichen Altersvorsorge ist. Sie hatte das letzte Mal irgendwo gelesen, dass da der Chef noch eine Weile die Hand draufhätte. So kommen die beiden dahinter, dass wenn Herr Kümpel jetzt kündigt, er alles verlieren wird: zweieinhalb Jahre sind inzwischen vergangen und jeden Monat sind 250 Euro eingezahlt worden, also 7.500 Euro.

7.500 Euro dem Betrieb schenken, dafür dass Herr Kümpel von einem jungen Aufschneider ausgebootet wurde? Nein - das halbe Jahr hält Herr Kümpel noch durch, bis ihm die dann 9.000 Euro sicher sind.

Wie die Geschichte weiterging? Nun ja, die Aufschneiderei ist Ihnen zwischenzeitlich selbst aufgefallen und Ihr Blick auf den jüngeren Mitarbeiter ist erheblich kritischer, wenn nicht sogar eingetrübt. Sie fragen in Meetings bewusst Herrn Kümpel nach seiner Meinung und sind angenehm überrascht.

80 Prozent der Mitarbeiter fühlen sich durch bAV der Firma mehr verbunden

Hätte Herr Kümpel auch „die Faust in der Tasche gemacht“, wenn es nicht um 9.000 Euro ad on gegangen wäre? An diesem Beispiel können wir gut sehen, dass die Aussicht des drohenden Verlustes zu einem etwas längeren Durchhalten motiviert hat. Die betriebliche Altersvorsorge hat ihren Job gut gemacht: ein vorzeitiges Verlassen des Unternehmens konnte sie verhindern.

Vielleicht denken Sie jetzt „Ja, in dieser Zeitspanne, gerade um die gesetzliche Unverfallbarkeit herum mag das funktionieren. Aber hätte der Aufschneider nach drei Jahren angefangen, hätte das auch nichts genutzt.“ Diese Vermutung liegt selbstverständlich nahe. Dennoch fühlen sich oft bis zu zirka 80 Prozent der Mitarbeiter der Firma mehr verbunden, so legen es übereinstimmend verschiedene Studien nahe, die eine firmenfinanzierte Zusage auf betriebliche Altersvorsorge haben. Auch nach Eintritt der gesetzlichen Unverfallbarkeit hinaus.

Beispiel B

Das Unternehmen hat den Mitarbeitern eine Berufsunfähigkeitsabsicherung zugesagt. Die Einkommenssicherung für den Fall einer Berufsunfähigkeit (BU) gehört laut Stiftung Finanztest zu den elementaren persönlichen Risiken, die ähnlich der privaten Haftpflichtversicherung, ein Muss sein sollte.

Blöd nur, dass BU-Schutz für viele nicht zu bekommen ist. Für viele ist BU-Schutz einfach zu teuer. Für andere übernimmt aufgrund der Vorerkrankungen kein Versicherer das Risiko.

Als Unternehmen können Sie alle Mitarbeitenden versichern - auch diejenigen, die das für sich alleine nicht mehr hinbekommen würden. Wenn die Firma alle Mitarbeitenden versichert, kalkuliert der Aktuar der Versicherungsgesellschaft quasi für den Durchschnitt der Belegschaft, worin besonders risikogefährdete und sehr gering gefährdete berücksichtigt werden.

Für Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen, bedeutet das, den Existenzschutz aufs Spiel zu setzen. Denn der endet mit dem Beschäftigungsverhältnis. Der ist auf eigene Faust häufig nicht zu finanzieren oder nicht (mehr) zu versichern.

Stellen wir uns noch einmal Herrn Kümpel aus Beispiel A vor. Er hat seine clevere Freundin mittlerweile geheiratet, sie haben ein Baby bekommen und eine Eigentumswohnung gekauft. Bei Herrn Kümpel ist vor Kurzem Diabetes diagnostiziert worden. Aus heiterem Himmel.

Was würde wohl Frau Kümpel sagen, wenn ihr Mann die Stelle wechseln wollte? „Freundchen, wo bekommst Du denn noch eine BU-Versicherung mit Deinem Diabetes? Du willst mich doch nicht mit der ganzen Wohnungsfinanzierung im Regen stehen lassen?“

Natürlich wissen Sie und ich nicht, ob Frau Kümpel genau diese Worte gewählt hätte. Wir beide ahnen jedoch, dass ohne die firmenfinanzierte Altersvorsorge und ohne die Berufsunfähigkeitsabsicherung Frau Kümpel ganz anders auf Herr Kümpels Wechselbereitschaft reagiert hätte.

Happy Wife, happy Boss!

Und wer war's? Die betriebliche Versorgung!

Fazit

Betriebliche Altersvorsorge kann, wenn sie intelligent gestaltet ist, sehr wohl einen Einfluss auf die Verweildauer der Mitarbeiter im Unternehmen haben. Durch genaue Zielbestimmung und Analyse der Belegschaft können betriebliche Versorgungswerke gestaltet werden, die für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation ergeben.

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Cordula Vis-Paulus