Artgerechter Umgang mit dem bAV-Kater

Entstehung, Erkennen und Vermeidung von Interessenskonflikten zwischen Unternehmen und Makler im bAV-Mandat.

Erfolgreiche bAV-Mandate hatten und haben einiges gemeinsam: Das Unternehmen hat Ziele definiert, die mit der Einführung von betrieblicher Altersvorsorge erreicht werden sollen. Dazu finanziert das Unternehmen einen Teil der Beiträge und richtet sich mit geeigneten Kommunikationsstrategien an die Belegschaft.

In den frühen 2000er Jahren – nach Einführung des Rechtsanspruches auf Gehaltsumwandlung – und im Umfeld von Tarifverträgen, die vL in bAV schubsten, waren 20 % Zuschuss leicht zu „verhandeln“, sie refinanzierten sich durch die vorherige Entgeltumwandlung und galten als kostenneutral zum Gehalt ohne Entgeltumwandlung). Die nur als Anschub vorgesehene SV-Ersparnis plus Weitergabe der SV-Ersparnis galten als Erfolgsmodell, welches, gepaart mit persönlicher Pflichtberatung und Belegschaftsinformation, zum Teil hohe Durchdringungsquoten erzielte.

Über die Jahre lässt sich jedoch mit einiger Ernüchterung feststellen, dass die anfängliche Begeisterung schwindet.

Dies könnte ein Indiz für das Heranschleichen des bAV-Katers sein.

Den bAV-Kater – und hier benutze ich den Begriff Kater gerne in seiner Doppeldeutigkeit als gerissenes und eigenwilliges samtbepfotetes Fellknäuel einerseits, als die Nachwehen einer durchzechten Nacht andererseits.

Geschäftsführer mit bAV-Kater erkennt man an unterschiedlichen Symptomen:

Eingeschränkte Bereitschaft für Gespräche, (Änderung von) gesetzlichen Rahmenbedingungen werden als Verkaufstricks bewertet, schlechte telefonische Erreichbarkeit, unbeantwortete Emails, Abgabe der bAV-Verantwortlichkeit an die Buchhaltung oder Personalabteilung, verbindliche Absprachen werden nicht mehr eingehalten, Austritte werden dem Versicherer direkt gemeldet, Neueintritte werden dem Makler nicht mitgeteilt. Auf Nachfrage gibt es keine neuen Mitarbeiter oder alle sind noch in der Probezeit oder im befristeten Arbeitsvertrag.

Auf Mitarbeiterlisten, die man mit Glück 5-10 Jahre nach einem fulminanten bAV-Start zu sehen bekommt, stehen kaum noch bAV-bekannte Namen.

Seien Sie sicher, dort pflegt man einen ausgewachsenen bAV-Kater.

Ein selbstkritischer Blick in die Vergangenheit lohnt, wenn zukünftige Mandate länger Freude machen sollen:

Welche Erwartungshaltung wurde zu Beginn geweckt?

Hatte der Verantwortliche die Hoffnung, Mitarbeiter mehr für sein Unternehmen begeistern zu können? Erhoffte er sich weniger ungewollte Fluktuation? Wie stand es über die Zeit mit der gegenseitigen Wertschätzung?

Hatten wir bAV-Berater nicht auch etwas von verwaltungsarmem Durchführungsweg erzählt? Sicherlich mag die Direktversicherung im Vergleich zu anderen Durchführungswegen weniger Verwaltungsaufwand erzeugen. Für sich betrachtet – und das hängt durchaus auch vom Umgang des auserwählten Versicherers mit der bAV ab – hat die Direktversicherung geradezu das Zeug zur Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Hier ein Auszug:

·        Versorgungsordnungen müssen sich ändernden betrieblicher und gesetzlichen Rahmenbedingungen angepasst werden

·        Informationsweitergabe und -Aufbereitung müssen sich ändernden Kommunikationsstrategien unterwerfen und angepasst werden

·        Dokumentation und Verwahrung

·        Schriftwechsel mit dem Versicherer: Inkasso, Übertragungen, Elternzeiten, jährliche Standmitteilungen, Dynamik, Fehlzeiten nach Ende Lohnfortzahlung

·        Einpflegen der Datensätze in die Gehaltsabrechnung

BAV-Berater mit einigen Jahren Erfahrung sind immer wieder konfrontiert mit genervten HR- und Buchhaltungen.

Über die Zeit hat der Geschäftsführer also bemerkt, dass die bAV nicht verwaltungsarm ist, der Schwung des ersten Aufschlages hat sich nicht gehalten: Er bemerkt wenig bis keine bAV-Nachfrage bei Bewerbergesprächen und Kündigungen sind auch nicht ausgeblieben.

Kurz: die bAV hat nicht gehalten was von ihr erwartet wurde!

Hier geht Hand in Hand, dass vom Berater initiierte Gespräche über sich ändernde Rahmenbedingungen vom Entscheider am anderen Tischende als Verkaufsmaßnahme betrachtet und weggewischt wurden. Was dem Geschäftsführer im Hinterkopf hängen geblieben ist: Haftung!

Interessenskonflikt

Über die Zeit liegen die Interessen von Entscheider und bAV-Berater meilenweit auseinander: Der Entscheider möchte keine neuen bAV-Verträge aber Verzichtserklärungen. Der bAV-Berater braucht neue Verträge – er finanziert die Betreuung über Abschlussprovision.

Dieser Interessenskonflikt hat das Zeug dazu, die gesamte Kundenbeziehung zum weitgehenden Erliegen zu bringen und macht gleichzeitig für Konkurrenzangebote anfällig.

Die Beziehung steht kurz vor dem aktiven oder passiven Aus.

Reanimation

Ob der Kunde sich reanimieren lässt, hängt wesentlich von folgenden Faktoren ab:

·        Gelingt die Wiederaufnahme der Gesprächsbeziehung?

·        Können beide Gesprächspartner einen Reset-Knopf drücken und neu starten?

·        Sind die Probleme des Kunden so groß, dass sowohl der Berater als auch das Thema eine zweite Chance bekommen?

Austricksen des bAV-Katers

Das beherrschende Thema ist der (Fach-)Kräftemangel. Am Bewerbermarkt sichtbar und attraktiv zu sein ist heute wichtiger als jemals vorher. KMU besitzen weder Expertise noch Manpower für diese Themen. Eine Möglichkeit, für den bAV-Experten mit Zusatzqualifikation?

bAV – Wunderwaffe im War for Talents?

Ganz sicher kommt und geht keiner wegen Entgeltumwandlung und Pflichtzuschuss/Weitergabe der SV-Ersparnis. Genauso sicher kann ein Versorgungsangebot aber sehr wohl Mitarbeiter binden: Wenn mindestens ein signifikanter Beitragsteil vom Unternehmen getragen wird oder die Versorgung komplett durch ihn finanziert wird. Auch Stufenmodelle, wo längere Betriebszugehörigkeit und/oder mehr Verantwortung durch eine höhere Arbeitgeberbeteiligung belohnt wird, wirken in die richtige Richtung.

50 ist das neue 15 – der Trend geht in Richtung arbeitgeberfinanzierter bAV

Meine Maklerumfrage 2021, in der ich 40 bundesweit tätige Makler befragt habe, was TOP Unternehmen ihren Mitarbeitenden zur bAV zuschießen, hat gezeigt, dass Unternehmen die bAV tatsächlich nutzen und hohe Erfolgsquoten zu erreichen sind: Aber nicht mir Pflichtzuschuss!

Alles zum Reality Check bAV-Zuschuss 2021 und wie er im Arbeitgebergespräch zielsicher eingesetzt wird vermittle ich in meinen bAV-Practitioner® Workshops.

(https://cordula-vis-paulus.de/fragenundantwortenzumbavpractitioner)

Statt falsche Hoffnungen zu wecken, besser nach den wirklichen Zielen fragen

Ehrlichkeit war eines der Erfolgsgeheimnisse der befragten Makler. Wer aufzeigen kann, was Marktpartner in der bAV machen (Reality Check bAV-Zuschuss 2021) und die Herausforderungen und Ziele der Kunden versteht, kann sich als Gesprächspartner auf Augenhöhe positionieren und mit einer maßgeschneiderten Konzeptberatung die Kundenbeziehung neu ordnen.

Rien ne va plus

Nichts geht mehr? Aber Sie sitzen noch am Tisch? Dann greifen Sie zum allerletzten Mittel: Helfen Sie Ihrem Kunden, seine Verzichtseklärungen zu bekommen!

Verzichtserklärungen: Da dreht sich Ihnen der Magen rum? Mir auch! Deshalb lasse ich die Verzichtserklärungen einholen.

Ich lasse Verzichtserklärungen einholen

und erlebe die Auflösung des Interessenskonfliktes! Geschäftsführer erleben, dass sie ihre Sorgen um die Haftung gelöst bekommen, während mir noch der ein und andere Antrag zufällt.

Ein neutraler Dritter entspannt die Situation

Ich nutze einen spezialisierten Anbieter für digitale bAV-Beratungen. So kommt ein unverbrauchter, neutraler Dritter an Bord, der unbelastet etwaiger Vergangenheitssituationen ist und ausschließlich die Aufgabe hat, im Interesse des Unternehmens zu agieren. Mit einem erprobten Konzept werden die Mitarbeiter auf eine digitale Selbstabschlussstrecke eingeladen. Die Durchsetzung des Prozesses übernimmt das Unternehmen – das bedeutet, für die Quote ist das Unternehmen verantwortlich und nicht der Makler! Diese Aufgabe übernimmt der Kunde gerne, denn es dient seinem Interesse: er möchte die Verzichtserklärungen. Nach ziemlich genau 4 Wochen liegt das Ergebnis auf dem Tisch.

Einen Versuch ist es wert

Wenn der bAV-Kater sich erst einmal breit gemacht hat, ist für den bAV-Makler kein Geschäft mehr zu holen. Ein „Nein“ haben wir schon – für ein „Ja“ braucht es die Reanimation.

Themen, die heute und in Zukunft bewegen, zeitgemäße Rhetorik, wie messerscharf konfigurierte bAV/bKV-Konzepte entstehen und was TOP-Unternehmen in der bAV so machen – und wie es ganz konkret mit der digitalen Selbstabschlussstrecke funktionieren kann, aus einem passiven wieder einen aktiven bAV-Kunden zu machen, das sind die Inhalte des bAV-Practitioner®.

Cordula Vis-Paulus